tel/fax91 488 38 02
Das „alte“ Strafrecht galt seit Polen seine Souveränität wiedererlangte.
Es gilt auch weiterhin für Prozesse, die vor dem 1. Juli 2015 begonnen wurden.
Das „neue“ Strafrecht gilt für Prozesse, die zwischen dem 1. Juli 2015 und dem 14. April 2016 begannen.
Das „neueste“ Strafrecht gilt für neue Prozesse ab 15. April 2016.
Maßgebend ist der Zeitpunkt des Eingangs der Anklage beim Gericht.
Das Gericht besitzt in der seit April 2016 geltenden Version wieder zahlreiche Instrumente der richterlichen Beweisinitiative. Der Richter ist kein passiver Beobachter mehr und handelt aktiv, abgesehen davon, dass die Parteien (Angeklagte, Staatsanwaltschaft, Nebenkläger) Anträge stellen können.
Die Beweiserhebung wird jetzt nicht mehr von den Parteien, sondern vom Gericht durchgeführt. Die Zulassung eines Beweismittels erfolgt auf Antrag der Partei oder vom Amts wegen.
Zeugen werden wieder wie früher zuerst vom Gericht vernommen. Erst danach dürfen die Parteien die Zeugen befragen.
Der Richter ist verpflichtet, dem Angeklagten und dem Nebenkläger benötigte rechtliche Hinweise zu geben.
Der Staatsanwalt ist jetzt wieder verpflichtet, dem Gericht - und damit der Verteidigung - alle Ermittlungsergebnisse mitzuteilen. Sie darf Erkenntnisse, die zugunsten des Angeklagten sprechen, nicht mehr verschweigen. Sie darf Material, das sie für irrelevant hält, nicht aussondern. Das bedeutet für Verteidigung und Nebenklage, dass viel unwichtiges Zeug gelesen werden muss. Ist der Angeklagte ein Ausländer, der kein Polnisch versteht, werden alle polnischsprachlichen Dokumente im Auftrag des Gerichts für ihn übersetzt. Darum muss der Verteidiger prüfen, ob die Übersetzungen korrekt sind.
Auch in der Berufungsinstanz kann jetzt eine Beweiserhebung durchgeführt werden, ohne Rücksicht darauf, dass sie schon in der ersten Instanz hätte erfolgen können.
Es laufen jetzt also vor polnischen Gerichten Verfahren, für die drei unterschiedliche Vorschriften gelten. Das wird noch Jahre so weiter gehen, bis der letzte alte Fall in der Berufung oder in der Revision rechtskräftig abgeschlossen wird.
Die Staatsanwaltschaften können einzelne Staatsanwälte veranlassen, sich auf eine der drei Versionen zu spezialisieren.
Die Rechtsanwälte können das nicht; müssen darauf vorbereitet sein, mehrmals täglich auf eine andere Version umzuschalten. Dabei darf er keine Fehler machen, denn die Mandanten werden, wenn sie mit einem Urteil unzufrieden sind, nach Fehlern des Anwalts suchen, um ihn haftbar zu machen.
Staatsanwälte haben es besser: Dringt ein Staatsanwalt nicht durch, hat niemand ein Motiv, nach Fehlern in seiner Verhandlungsführung zu suchen. Unterliegt ein Staatsanwalt erheblich häufiger als der statistische Durchschnitt erwarten lässt und fällt das seinen Vorgesetzten auf, kann sich seine nächste Beförderung verzögern.